28. Juni 2023 / Aus aller Welt

Zahl der Scheidungen geht weiter zurück

Die Zahl der Scheidungen in Deutschland sinkt, zugleich gibt es mehr Hochzeiten. Heißt das, die Gesellschaft wird bürgerlicher? Ganz so einfach ist es nicht.

Im vergangenen Jahr wurden rund 137.400 Ehen durch richterlichen Beschluss getrennt.

Die Zahl der Scheidungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut zurückgegangen. So wurden 2022 rund 137.400 Ehen durch richterlichen Beschluss getrennt, das sind 3,8 Prozent weniger als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Damit seien die Zahlen mit Ausnahme einer leichten Zunahme 2019 sogar seit 2012 kontinuierlich gesunken. «Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Zahl der Scheidungen sind auch im Jahr 2022 weiterhin nicht erkennbar», sagt Bettina Sommer, Expertin für Demografie beim Bundesamt in Wiesbaden.

Scheidung im Schnitt nach gut 15 Jahren

Auffällig ist zudem, dass das Ehe-Aus immer später kommt. Im vergangenen Jahr ließen sich die Paare im Durchschnitt nach gut 15 Jahren scheiden. 25 Jahre zuvor trennten sich Ehepaare im Schnitt bereits nach zwölf Jahren und vier Monaten.

Der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger sieht für diese Entwicklung vor allem zwei Gründe: «Zum einen wollen wir in Krisenzeiten einen Ort der Sicherheit, der Geborgenheit und Verlässlichkeit haben.» Zum anderen seien die Ehen selbst besser geworden: «Paare sind inzwischen viel selbstständiger und Frauen finanziell unabhängiger.» Heißt: Jeder bewahre häufiger sein eigenes Leben und pflege stärker seine Freundschaften.

Die Statistik zeigt zudem, dass sich immer mehr Paare erst spät entscheiden, getrennte Wege zu gehen: So waren knapp 18 Prozent der Geschiedenen mindestens im 25. Jahr verheiratet. Zum Vergleich: 1997 wurden nur etwa zehn Prozent im Jahr ihrer Silberhochzeit oder danach richterlich getrennt.

«Das ist ein neues Phänomen», sagt Therapeut und Autor Krüger. «Früher war es eher so: Wer länger als 20 Jahre zusammen war, blieb zusammen, weil dann der Mut zur Trennung fehlte.» Doch mit der verlängerten Lebensdauer sei auch der Anspruch auf eine gute Beziehung im Alter gestiegen: «Heute haben wir vergnügte 70-Jährige, die vom Leben noch viel erwarten.»

Keine Trennungswelle trotz Corona

Und was wurde aus dem erwarteten Corona-Effekt? Schließlich herrschte während Pandemie und Lockdown bei vielen Paaren Unzufriedenheit und Reibungspotenzial. Die erwartete Trennungswelle sei ausgeblieben, so Krüger. «Womöglich, weil in der Zwischenzeit neue große Verunsicherungen wie Inflation oder Ukraine-Krieg kamen - und damit der Wunsch, die bisherige Sicherheit zu erhalten.»

Das Bundesamt gab am Mittwoch auch Daten zu Eheschließungen bekannt: 2022 stieg die Zahl der Hochzeiten deutlich um 9,2 Prozent auf rund 391.000 - nachdem sie im Jahr 2021 auf einen coronabedingten Tiefststand gefallen war. Hier sei von einer Normalisierung und auch von einem Nachholeffekt auszugehen, sagt Expertin Sommer. Denn: «Eine Reihe heiratswilliger Paare dürfte ihre Hochzeit auf die Zeit nach der Pandemie verschoben haben.»

Mehr Alleinlebende als im EU-Schnitt

Überraschend ist jedoch, dass in Deutschland anteilig deutlich mehr Menschen allein als in den meisten anderen Staaten der Europäischen Union leben. Im vergangenen Jahr lag ihr Anteil bundesweit bei 20,1 Prozent und damit deutlich über dem EU-Schnitt von 15,8 Prozent. Seit den 1950er Jahren habe sich die Zahl der Einpersonenhaushalte sogar mehr als verdoppelt, hieß es. Dabei machten die ledigen Alleinlebenden mit 51 Prozent den größten Anteil aus. Ein Viertel der Menschen war verwitwet, 19 Prozent waren geschieden.

«Wir beobachten zum einen den Wunsch nach mehr bürgerlicher Stabilität, also zu heiraten und länger zusammen zu bleiben», sagt Krüger. «Andererseits sind wir in Deutschland auch Weltmeister, was Singles betrifft.» So gebe es einen Trend zur Unverbindlichkeit, der sich auch an Paaren zeige, die nicht zusammenziehen oder eine offene Beziehung pflegen würden. «Das ist vor allem ein Phänomen der Großstädte», erklärt er. «Dort gibt es immer neue Optionen und dort versammeln sich einfach viel mehr Menschen, die die Freiheit suchen.»


Bildnachweis: © Patrick Pleul/dpa
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