15. März 2024 / Allgemein

WIWA nimmt sich die Haushaltsrede des Bürgermeisters vor

„Wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand sind nicht voneinander zu trennen!“

„Wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand sind nicht voneinander zu trennen!“

WIWA nimmt sich die Haushaltsrede des Bürgermeisters vor

Warendorfs Bürgermeister Peter Horstmann hat seine Haushaltsrede gehalten. Traditionell ist das die Möglichkeit für den Verwaltungschef, seine Visionen für die zukünftige Gestaltung seiner Kommune zu präsentieren.  Diesmal aber hat die Haushaltsrede die Initiative WIWA „Wirtschaft für Warendorf“ dazu genötigt, zu einem Pressegespräch zu laden. Und sich dafür sogar der Unterstützung der Industrie- und Handelskammer zu versichern.

Es sollte, so betonte WiWa-Geschäftsführer Heiner Kamp vorab, kein Bürgermeister-Bashing werden. Auch sollte es nicht nur um die geplante Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze gehen. Ein klassischer Streitpunkt zwischen Unternehmern und Verwaltung. Man wolle „nett und konstruktiv“ an die Haushaltsrede des Warendorfer Bürgermeisters herangehen und damit gleich ein „Gesprächsangebot der Wirtschaft“ verbinden. Konstruktiv war das 10-Punkte-Papier, dass WiWa der Presse vorstellte, schon. Ob Peter Horstmann es aber als „nett“ empfinden würde, darf getrost bezweifelt werden.

Die Einordnung in die gesamtwirtschaftliche Lage machte Bernd Esser, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des Regionalausschusses. Die Stimmung in der Wirtschaft hätte sich leicht verbessert, vor allem wegen der zögerlich sinkenden Energiepreise. Aber die würden sinken, weil viele Unternehmen des produzierenden Gewerbes dicht gemacht oder ihre Produktion heruntergefahren hätten. Noch immer kämpften die Unternehmen mit einer überbordenden Bürokratie, die Infrastruktur sei marode, die Nachfrage würde sinken und – was Esser besonders betont – die Investitionen würden zurückgefahren oder ins Ausland verlagert. Es würden 94 Mrd. Euro mehr ins Ausland abfließen als aus dem Ausland ins Land kommen. „Das geht alles auf Kosten der nächsten Generation. Wenn die Unternehmen weggehen und dann die Babyboomer-Generation in wenigen Jahren auch noch ihre Unternehmen mangels Nachwuchs schließen – dann werden wir hier vor riesigen Problemen stehen. Denn die Sozialausgaben müssen von irgendwem erwirtschaftet werden. Wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand sind nicht voneinander zu trennen!“ 

Das Land verlassen könne und wolle der Mittelstand nicht, betonte Heiner Kamp. Die Warendorfer Unternehmen seien hoch motiviert und weitgehend erfolgreich. Aber auch sie sehen sich verschlechterten Rahmenbedingungen und sinkender Nachfrage gegenüber. Und die Entlassung von 70 Mitarbeitern von „Warendorfer Küchen“ sei womöglich erst der Anfang: „Wer glaubt, wir leben hier noch im Tal der Glückseligen hat sich geschnitten!“ In diesem Klima sei die Haushaltsrede von Bürgermeister Horstmann uninspiriert, unambitioniert und in weiten Teilen unverständlich gewesen. Auch, dass es keine verschriftlichte Form der Rede gegeben habe, spreche nicht für Offenheit und Transparenz. Horstmann habe nur von Problemstellungen und Zwängen der Verwaltung gesprochen, Strukturverbesserungen seien gar nicht erwähnt worden. Heiner Kamp als Geschäftsführer des Netzwerks WiWa wies darauf hin, dass seit Amtsantritt des Warendorfer Bürgermeisters über 50 neue Verwaltungsstellen geschaffen worden seien – allerdings ohne, dass daraus eine größere Verwaltungseffizienz ablesbar sei. Die Kosten würden explodieren, ohne dass der Bürger etwas davon hat. Baugenehmigungen führte er als ein Beispiel an: Hier würden Genehmigungsverfahren in die Länge gezogen, während in anderen Orten des Kreises die gleichen Verfahren viel schneller abliefen. Kamp bemängelte auch die mangelnde Kommunikationsbereitschaft der Verwaltung: Entscheidungen wie die Bauarbeiten in der Innenstadt oder die Genehmigung von Photovoltaik auf innerstädtischen Häusern seien über die Köpfe der Hausbesitzer entschieden worden. Gemeinsam hätte man viele Probleme und Kosten vermeiden können. Auch die Einschränkungen für den Bau von Wohnungen in ehemaligen Geschäftshäusern seien nicht zielführend und hätten mit den Immobilienbesitzern besser abgestimmt werden sollen.

Punkt für Punkt nahm sich Heiner Kamp, der von den WiWa-Mitgliedern Thomas Pinnekamp und Cornelia Köster flankiert wurde, die Haushaltsrede des Bürgermeisters vor. So habe dieser keine Idee zum Verhältnis von Bürgern und Verwaltung skizziert. Noch immer gebe es keine Möglichkeit, Verwaltungsprozesse digital durchzuführen. Öffnungszeiten der Verwaltung seien dagegen nicht Arbeitnehmer-freundlich. Eine digitale Bauakte gebe es noch immer nicht, auch keine Willkommens- oder Dienstleistungskultur. Und das, obwohl die Mitarbeiterzahl im Rathaus signifikant angestiegen sei. 

Auch die Brinkhaus-Brache wurde angesprochen. Es könne nicht sein, dass als Zeithorizont für den Beginn der Baumaßnahmen das Jahr 2028 genannt werde. Bis dahin würde die Brache nur Geld kosten, das nie wieder eingespielt werden könne. Vorschlag von WiWa: Das Brinkhaus-Gelände an einen Investor verkaufen und gleichzeitig das Festhalten an der eigenen Planungshoheit zugunsten eines konstruktiven Miteinanders aufgeben. Auch zum Ausbau der B64n fordert WiWa Aufklärung. Horstmann solle sein Versprechen einlösen und sich um den Ausbau der Bundesstraße kümmern.

Die Unternehmer fordern ebenfalls mehr unternehmerisches Denken von der Kommune. Ziele müssten konkretisiert werden, geplante Ausgaben definiert und Abweichungen von den Zielen begründet werden. Man wolle wissen, was Politik und Verwaltung mit den Steuergeldern planen und welche der Pläne auch tatsächlich umgesetzt werden. Vage Ziele wie „Wir wollen mehr für die Infrastruktur tun“ seien Augenwischerei.

Ein Baulücken-Kataster soll Investoren – auch privaten Häuslebauern – die Chance geben, in gewachsenen Quartieren zu bauen und so eine Nahverdichtung herbeizuführen. Die Stadt Warendorf habe keinerlei Überblick darüber, welche Baugrundstücke im Stadtgebiet noch frei sind, wem sie gehören und warum nicht gebaut wird.

Und schließlich setzte sich der WiWa-Geschäftsführer mit Peter Horstmanns Äußerungen zum unlängst verabschiedeten „Wachstumschancengesetz“ auseinander. Er habe sich den Mitschnitt von Horstmanns Äußerungen dazu mehrfach angehört und trotzdem nicht verstanden, was der Bürgermeister sagen wollte. Das einzig mögliche Fazit sei, dass Horstmann das Gesetz als unfaire Möglichkeit für Unternehmen interpretiert, Steuern zu sparen. Und dass man deshalb seitens der Stadt die Unternehmen ruhig höher besteuern könne. Das sei Ausdruck einer völlig falschen Grundhaltung, betonten Kamp und Esser unisono: Wenn es den Unternehmen an einem Standort gut geht, dann geht es auch der Kommune gut, war ihre Botschaft. „Es kann nicht sein, dass wir hier immer noch den Unternehmen vorwerfen, dass sie Gewinne machen. Denn von diesen Gewinnen zahlen sie ihre Steuern.“ Insofern sei das Wachstumschancengesetz eine dringend notwendige Initiative, dem Mittelstand wieder mehr Investitionen zu ermöglichen. 

Abschließend gab es aber auch Lob für Horstmanns Haushaltsrede: Horstmann habe sich klar gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse für Kommunen ausgesprochen. Außerdem habe er ganz deutlich gemacht, dass es nicht sein könne, dass die Kommunen für Dinge zahlen sollen, die Bund und Länder beschließen. Und schließlich werde mit großem Engagement der städtischen Wirtschaftsförderung die Gewerbeschau im April vorbereitet. Dafür dankte Heiner Kamp der Verwaltung ausdrücklich. 

Als Ausblick bot WiWa dem Bürgermeister und der gesamten Verwaltung an, gemeinsam die anstehenden, schweren Aufgaben anzugehen. Auch Bernd Esser bot immer wieder an, dass die IHK mit solidem Zahlenmaterial und großer Sachkenntnis die Stadt bei ihren zukünftig anstehenden Aufgaben unterstützen will: „Wir sind immer für die Kommunen da. Aber nicht nur Warendorf, auch die anderen Städte im Kreis Warendorf machen viel zu wenig Gebrauch von uns!“

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